Momentaufnahme 2012

Beitrag zum Artists Unlimited Jahresprogramm

Fangen wir heute an, Ende November. Der Nebel verstärkt das Gefühl, dass die Welt um Artists Unlimited herum verschwunden ist. Seit Tagen Bildauswahl und Texten. Es gibt immer was zu tun. 900 Mails sind in diesem Jahr durch den Hausverteiler gegangen. Die Vorbereitungen für Superkauf laufen auf Hochtouren. Eine Theke wird gebastelt, die Einladungen müssen raus – dabei nicht die Buchhaltung vergessen. Und die eigenen Jobs. Und das Essen. Suppe auf der zweiten Etage. Auf der Dritten klingt gerade die Pancake-Phase aus, die Erste kümmert sich eher um die Getränke.

 

In der Galerie wird die Ausstellung dokumentiert. Uschi Jung, Malerei und Zeichnungen. Ausflug nach Berlin, um die Ausstellung unseres Gastkünstlers Steve zu sehen. Andere Arbeiten, als eine Woche vorher in unserer Galerie. Ich kenne sie vom Drübersteigen im Gastatelier. Kegeln – ohne diese Erfahrung will Steve das Land nicht verlassen. Die Drohung lässt uns kalt. Wir gehen trotzdem. Auf der Bahn nur große Biere. Wir warten lange auf Alle Neune. Das ist kein Sport für uns. Immer der Nase nach zur Eröffnung von On Your Own Again. Acht Liter Lenor auf dem Fußboden. Daneben zwei Lausbuben im Künstlergespräch.

 

Am Haus wird ein Gerüst aufgezogen. Wir sind umgeben von Baustellen, es dröhnt und donnert aus allen Richtungen. Spontane Karaoke-Party im Fahrradflur als Gegenmaßnahme, mit Schal und Mütze. Der Heizlüfter wird für einen Radiowecker gehalten. Handy-Videos gehen an alle Artists im Auslands-Einsatz. Ägypten, Israel und Argentinien. München geht leer aus.

 

Zurück in der Galerie hält Dagmar Weiß eine Lesung, bis ihre Stimme dünn wird. Eigene Texte in deutsch und englisch. Das Publikum rückt auf Bierbänken zusammen. In der Pause Gespräche über Pilzsammeln. Bilderwelten der Werbung, aus Magazinen, Talkshows und den Nachrichten. Galeriebesucher sitzen blinzelnd in den Projektionen von Franz Reimer. Jana Duda führt das Gespräch zur Eröffnung. Am nächsten Tag gemeinsames Frühstück. Nur der Künstler holt den Schlaf von mehreren Nächten nach.

 

Kaffee und Kuchen, Täschchen und Tennissocken. Flohmarkt im Hinterhof. Ein wunderbarer Trailer wird über facebook von A nach B geteilt. Einer von vielen. Schöne Spätsommertage im September. Auch beim Ausstellungsaufbau von Anja Schaffner tummeln sich die Akteure draußen. Schwarzer Kaffee im Biergarten, Sonne im Gesicht. Schon wieder wurden die Bierbänke verliehen. Keiner weiß, von und an wen.

 

Fahrten mit Monitoren und Skulpturen. Unser Gastkünstler Antoine baut seine Ausstellung auf. Wir freuen uns über die Kooperation mit dem IBS – nur ungewohnt, für den Galeriedienst auf das Fahrrad steigen zu müssen. Zu siebt bedienen wir ein ›virtuelles 3D-Werkzeug‹, das Antoine nachgebaut hat. Foto-Shooting im Gastatelier. Unsere Nachbarn stehen auf dem Balkon und sind gut unterhalten. Eine weitere Gruppe ist engagiert, um eines der ›Werkzeuge‹ für Filmaufnahmen durch die unendlichen Weiten von Oerlinghausen zu tragen. Erkältungen, Zecken und Blaue Flecke am nächsten Tag.

 

Die Sommerparty steht an: Ways to feel better. Aufbau bei wolkenlosem Himmel. Helfer, Bands und DJs geben alles. Viele von ihnen sind extra angereist, aus Kassel, Berlin und Helsinki. Wir sind gerührt. Fensterbilder werden gebastelt, der Deko-Wahn setzt ein. Ein Hoch auf die Recyclingbörse! Zwischendurch müssen EM-Spiele geguckt werden. Bis 20 Uhr Aufbau, ab 20 Uhr Deutschland. Fernseher- und Sofagrößen werden eruiert. 25 Leute sollten Platz haben. Währenddessen: Jochen Geilen und seine Studenten verwandeln die Galerie in eine Druckwerkstatt. Bis tief in die Nacht wird skizziert, gekratzt, geschnitzt, gedruckt und diskutiert. Noch vor einer Woche lag dort, wo die Späne fliegen, ein Panther auf einem Spielteppich. Susan Feind und Martin Gensheimer bitten zu einem Portrait-Shooting vor Palmen. Look like you like me. Bitte recht freundlich.

 

Besuch aus Polen. Einige Artists sind Mitorganisatoren der Ausstellung Tak Tak! in der Kunsthalle und der FH. Das Haus wird zum Treffpunkt. Drucken vierte Etage, Party und Kaffee dritte Etage, schlafen? Wo Platz ist. Auch die Galerie füllt sich wieder. Klaus Seelig und Matthias Arndt installieren zahlreiche Tableaus. Bei den Nachtansichten drängen sich Tausende durch die Ausstellung von Lucie. Die Besucher zeigen brav ihre Bändchen.

 

Si claro! Spanisch dominiert das Treppenhaus. Unser Gastkünstler Paulo bekommt Verstärkung aus Argentinien. Gemeinsam mit Agustina und Andres arbeitet er in der Galerie. Bereits Monate im Voraus wurde in Córdoba Werbung für die Ausstellung in ›Bielefest‹ gemacht. Eine Skype-Video-Konferenz bei der Eröffnung, mit der Künstlergruppe Dto 6 in Argentinien. Außerdem Saxophon und Didgeridoo.

 

Sperrmüll. Der Fahrstuhl ist im Dauereinsatz. Wir auch. Unsere Gastkünstlerin Joo-Hee hat keines der zusammengetragenen Geräte für ihre Ausstellung verwendet. Der Gehweg füllt sich mit Matratzen, Staubsaugern, Laubbläsern. Die Nachbarn wundern sich. Derweil ist die Ausstellung von Satomi Edo in der Galerie zu sehen, anschließend an die Gruppenausstellung Medusa. Der erste Blick vieler Besucher geht ungläubig Richtung Fußboden. Wo ist die rote Farbe? ›Rohe Gewalt‹ ist die Antwort. Dem roten Bodenlack, den Joo-Hee über Nacht gegossen hat, können wir nur mit Spachteln und Körpereinsatz begegnen. Tagelanges, gemeinsames Kratzen im Januar. Eine gruppendynamische Maßnahme.

 

Bei der WeihnArt gehen uns plötzlich die Engel aus. Einer von ihnen krümmt sich weinend im Treppenhaus. Magen-Darm. Vera und Norbert springen spontan ein. Kostüm an, fertig. Die Lose sind schnell weg. Am nächsten Nachmittag sind auch die Kunstwerke verschwunden. Zwanzig Artists stehen ratlos in der Galerie. Wo ist die WeihnArt? Wirres Telefonieren, Spurensuche und Spekulationen, eine Stunde bevor die Ausstellung wieder geöffnet wird. Unsere Gastkünstlerin outet sich letztlich. Der ›Diebstahl‹ gehört zum Konzept ihrer Ausstellung. Wutausbrüche müssen warten – pünktlich um 14 Uhr hängt die WeihnArt wieder. Als wäre nichts gewesen.